Impuls für den Tag – 29.04.2020 – Gedenktag der Heiligen Katharina von Siena
Katharina von Siena, Skulptur in Melbourne, Australien

Impuls für den Tag – 29.04.2020 – Gedenktag der Heiligen Katharina von Siena

Liebe Gemeinde,

am 29. April begeht die Kirche traditionell den Gedenktag der Heiligen Katharina von Siena. Herzlichen Glückwunsch zum Namenstag all denen, die Katharina heißen und die heutige Tagesheilige zur Patronin haben!

Sie ist eine der großen Frauen der Kirchengeschichte, eine einflussreiche Mystikerin, kritisierte das Verhalten des Papstes und anderer Kleriker öffentlich, wurde vor die Inquisition gezerrt, ließ sich aber nie entmutigen, sondern verfolgte mutig und mit eisernem Durchhaltevermögen das, was sie als richtig erkannt hatte und versuchte so, die Kirche wieder mehr zu einer Kirche im Sinne Christi werden zu lassen. Ihr kurzes Leben war das eines radikalen Einsatzes für die Einheit der Kirche und den Frieden für Europa. Doch es war geprägt von Extremen, denn sie lebte in bewegten Zeiten:

Als vorletztes Kind einer Großfamilie des verarmten italienischen Adels wurde sie 1347 geboren. Bald grassierte die Pest in Europa, an der auch viele ihrer mehr als 20 Geschwister starben und seit 1309 residierten die Päpste, ausgelöst durch großen politischen Einfluss Frankreichs in Avignon und die Kirche büßte mehr und mehr ihre Unparteilichkeit in Europa ein.

Im Grundschulalter soll sie ihre erste Christus-Vision gehabt haben, die Christus im weißen Papstgewand und mit den päpstlichen Insignien zusammen mit Petrus, Paulus und Johannes gezeigt haben soll. Eingeprägt hat sich ihr davon besonders das liebevolle Lächeln Christi. Schon in diesem jungen Alter soll sie für sich beschlossen haben, ein rein geistliches Leben zu führen. Sie zog sie sich sozial immer mehr zurück, suchte Stille und Einsamkeit, anstatt mit Gleichaltrigen zu spielen. Sie begann, sich selbst zu geißeln, was damals zwar eine weit verbreitete Bußpraxis, aber für ein junges Mädchen sehr ungewöhnlich und aus heutiger Sicht eher besorgniserregend war, denn es kam hinzu, dass sie extrem zu fasten begann. Forscher gehen heute zum Teil davon aus, dass sie bis in ihre 20er an einer immer schlimmer werdenden Magersucht litt, die ihren Körper so schädigte, dass sie nur 33 Jahre alt wurde. Dafür sprechen ihre Zurückgezogenheit, ihre Selbstabwertung, die sich in ihren Selbstverletzungen zeigt, die sie sich immer wieder zufügte und auch ihrer eisernen Disziplin und Durchsetzungskraft. Ihre inneren Kämpfe konnte sie glücklicherweise in ihren letzten Jahren ihres Lebens umwandeln in eine ungeheure Kraft und sie in gesünderer Weise, apostolisch und zum Wohl der Menschen und der Kirche nutzen.

Als sie ins heiratsfähige Alter kam, und ein Mann für sie ausgesucht werden sollte, war ihr Entschluss, sich Christus zu weihen und jungfräulich zu leben bereits gefestigt und sie weigerte sich, sich die Haare bleichen zu lassen, was ihre Chancen auf eine gute Heirats-Partie erhöhen sollte. Stattdessen schor sie sich den Kopf, was als Zeichen der Weihe an Gott oder auch schlicht als Rebellion einer Pubertierenden gegen den elterlichen Zwang interpretiert wurde. Ihre Eltern verboten ihr, von diesem Protestakt zusätzlich erbost, in ein Kloster einzutreten und tatsächlich wurde sie nie reguläre Ordensschwester. Sie setzte erst nach mehreren gescheiterten Anläufen schließlich durch, sich den sog. Mantellatinnen anschließen zu dürfen. Auch das war sehr ungewöhnlich, waren die Mantellatinnen doch eigentlich eine Bewegung für sozial engagierte Witwen und nicht für junge unverheiratete Frauen. Die nächsten Jahre verbrachte sie in absoluter Zurückgezogenheit mit extremem Hungern und körperlicher Härte zu sich selbst in ihrem Zimmer: sie soll nicht mehr in einem Bett, sondern auf dem blanken Bretterboden geschlafen und sich schwer verletzt haben, indem sie sich mit einer Eisenkette selbst schlug. Der Theologe Gisbert Kranz sagt, sie habe versucht, sich selbst abzutöten. Man nennt diese Zeit ihres Lebens auch die „stummen Jahre“.

Ihr ganzes Leben lang, aber besonders in dieser Zeit hat sie unaufhörlich die Nähe zu Christus gesucht, hat versucht, ihn zu ergründen und zu entdecken. In den stummen Jahren hatte sie mehrere mystische Visionen, u.a. einen Herzenstausch mit Jesus. Darin soll Jesus ihr Herz an sich genommen und ihr stattdessen sein Herz gegeben haben. In dieser Zeit der absoluten Zurückgezogenheit muss sie eine unverrückbare Sicherheit und ein neues Selbstbewusstsein, eine extreme innere Stabilität bekommen haben, die schließlich Frucht bringen konnte. In ihren frühen Zwanzigern änderte sie plötzlich ihr Leben radikal.

Wohl unter dem Eindruck einer weiteren Vision, in der ihr Christus erschienen, ihr einen Ring über den Finger gestreift und sich mit ihr vermählt haben soll, ließ sie ihre Abgeschiedenheit hinter sich, beendete ihre extremen Bußübungen, trat in die Öffentlichkeit und engagierte sich sowohl caritativ, als auch politisch außerordentlich. Sie besuchte Arme und Kranke, pflegte sie, trug wohl eigenhändig viele der Pesttoten aus der Stadt und ermöglichte ihnen dort ein würdiges Begräbnis. Sie ging ins Gefängnis und spendete den Insassen Trost, redete ihnen aber auch ins Gewissen und half ihnen, ihre Fehler zu erkennen. Die Philosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz sagt über sie, sie hatte ein Charisma des Trostes und die Fähigkeit, in die Herzen der Menschen zu sehen. Das haben viele Menschen in ihr entdeckt und dafür wurde sie in Siena so geschätzt, dass sie zuletzt auch von offiziellen Stellen um Beratung ersucht wurde. Darüber hinaus versuchte sie immer wieder, Frieden zwischen verfeindeten Parteien zu stiften. Ihre letzten Lebensjahre waren geprägt von einem unermüdlichen Einsatz für die Menschen und die Kirche. Sie lehnte sich gegen den herrschenden Sittenverfall im Klerus auf und setzte sich für Kirchenreformen ein. Dabei hatte sie keine Angst vor deutlichen Worten gegenüber der Würdenträger, was sie immer wieder auf die Anklagebank brachte. Erstaunlicherweise wurde sie aber nie verurteilt, was für eine Frau, die sich zu dieser Zeit gegen kirchenpolitische Machthaber auflehnte, eine absolute Seltenheit war. Stattdessen zog sie durch ihr Charisma, durch ihren radikalen Einsatz für die Sache Jesu, eine Schar von Menschen um sich, die ihr treu zur Seite standen und ihr als Analphabetin ermöglichten, Briefe diktieren zu lassen, die sie u.a. direkt an den Papst adressierte. Katharina hatte offiziell keine Macht, aber sie spürte in sich die Verantwortung, sich einzusetzen und verhielt ich einfach so, als hätte sie die Macht, etwas zu verändern. Und tatsächlich verlegte durch ihr Zureden Papst Gregor der XI. schließlich seinen Papstsitz von Avignon nach Rom. Letztlich blieb jedoch auch sie von Rückschlägen nicht verschont und konnte trotz ihres großen Einsatzes das abendländische Schisma nicht verhindern. 1380 starb sie mit nur 33 Jahren und soll auf dem Sterbebett versichert haben: „Seid gewiss, meine Lieben, dass ich das Leben für Christus und seine heilige Kirche hingegeben habe.“ Ihre Liebe zur Kirche und ihr unerschütterlicher Mut, sich für sie einzusetzen und sie von innen heraus zu verändern, sind ihre Markenzeichen und lassen sie bis heute aktuell bleiben.

In Italien gilt Katharina von Siena als größte Frau der Kirchengeschichte und tatsächlich ist es beeindruckend, dass sich jemand, der nie die Bibel oder wissenschaftliche Schriften gelesen hat, sich nur durchs Zuhören und das eigene Denken ein so umfangreiches theologisches Wissen erarbeiten konnte, wovon ihr großes, noch erhaltenes Werk zeugt. Dass sie als eigentlich unbedeutende Färberstocher letztlich wirklich dem Papst als Ratgeberin zur Seite stand, ist außergewöhnlich. Sie war zeitlebens davon überzeugt, dass der Papst als Stellvertreter Christi auf Erden und die Kirche als der „Braut Christi“ sich für die Einheit der ganzen Welt, für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen müssen und sie wollte ihren Beitrag dazu leisten. Nie wäre sie auf die Idee gekommen, sich von der Kirche abzuwenden.

Keine hundert Jahre nach ihrem Tod sprach Papst Pius II. sie 1461 heilig. 1939 wurde sie Schutzpatronin Italiens, 1970 Kirchenlehrerin und 1999 zusammen mit Birgitta von Schweden und Edith Stein Schutzheilige des ganzen europäischen Kontinents. Die Sehnsucht nach Einheit und Frieden sind heute immer noch aktuell und Katharina bleibt ein Vorbild für ihren unerschütterlichen Einsatz dafür, genauso wie für ihre apostolische Nachfolge und den Wunsch, die Kirche von innen heraus zum Guten zu verändern und sie – trotz aller Kritik – nicht zu verlassen.

Ihre Magdalena Kiess, Pastoralassistentin


Bild: Adelheid Weigl-Gosse, www.weigl-gosse.de
In: Pfarrbriefservice.de

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