Irgendwas mit Gemeinschaft
Nach wie vor ruhen viele Aktivitäten, allen voran gemeinschaftliche. Das betrifft Sportvereine, Chöre, Orchester, selbst Familientreffen und Geburtstagsfeiern werden vertagt oder fallen aus. Hochzeitsfeiern müssen verschoben werden, all die Planungen sind obsolet. „Bleiben Sie zu Hause, schließen Sie die Tür und verlassen Sie Ihre Wohnung oder Ihr Haus nicht!“ Das ist derzeit die dringliche Empfehlung. Keine Menschen treffen – das hat sicherlich auch etwas Gutes, schließlich bleiben mir Begegnungen mit denen erspart, die ich mehr aus Pflicht, denn aus eigenem Wunsch heraus treffe. Doch zwangsläufig träume ich genauso von Momenten, in denen ich leibgewonnene Bekannte sehen konnte.
Eine besondere Erinnerung habe ich dabei an Taizé. Dort bin ich das ein oder andere Mal gewesen, wie so viele Jugendliche dieses kleine Dorf, mit seiner entzückenden Gemeinschaft, Woche für Woche besuchen. Es ist schon beeindruckend: Tausende junge Menschen, aus ganz Europa und teils noch weiter her, besuchen dieses Dörfchen in Burgund, um zu beten und in schlichtester Einfachheit zu wohnen. Doch, wie wir es in den Kirchengemeinden hier erfahren, gilt auch für diesen gemeinschaftlichen Ort: Derzeit sind keine Treffen von Gruppen möglich. Keine Treffen, keine Gäste, keine Gemeinschaft, kein langes Anstehen für das spartanische Essen, kein Toilettenputzen und Abwaschen im Riesenkübel – Was ich dort erlebt habe: ein Gefühl der tiefen Verbundenheit mit zunächst fremden Christen aus verschiedensten Teilen Europas, ist derzeit nicht möglich. Mich stimmt das traurig, denn ein für mich sehr großer Schatz scheint plötzlich verloren oder zumindest bedroht.
Ein Gedanke, den die Brüder über ihre Botschaften im Web teilen, hat mich in dieser Woche fasziniert. Während wir uns auf Ostern zubewegen, können wir uns erschreckend deutlich in den Jüngerkreis Jesu hineinversetzen. Nach seinem Tod verstecken sie sich, hinter verschlossenen Türen. Isoliert, vorsichtig, wenn nicht gar ängstlich schotten sie sich ab. In meinen Augen ist das eine fast schon unheimliche Parallele, zu den Ratschlägen heute. So hocken sie da, meiden den Kontakt zu Anderen und Jesus tritt in ihre Mitte. Wie auch immer er das schon wieder geschafft hat, baut er seine Jünger wieder auf, spricht Mut zu, zeigt Verständnis, selbst für den skeptischsten seiner Bekannten und stachelt sie letztlich an, sich eine große Mission vorzunehmen. Die ganze Welt wird schließlich von dieser Begegnung erfahren.
Ich glaube an dieses Evangelium, an die Auferstehung und dass demnach Jesus auch heute seine Christen nicht im Stich lassen wird. Hinter meiner verrammelten Tür stelle ich mir die gleiche Frage, die die Brüder aus Taizé auf ihrer WebSite zu stehen haben:
- Was erwartet Christus von uns?
- Was schenkt uns der Auferstandene, der durch verschlossene Türen hindurch zu seinen mutlos gewordenen Jüngern kommt, und wozu ruft er uns heute auf?
In den Widrigkeiten des Augenblicks, wie Frère Roger sagte, „die Ereignisse nicht tatenlos hinnehmen, sondern in Gott mit ihnen etwas Neues entstehen lassen“.
Mein Glaube hat mich bisher erfahren lassen, wie Gott mich durch das Leben begleitet. Immer mal wieder stellt er mich vor neue Herausforderungen. Ich glaube, er fordert mich dabei jeweils nur in dem Maße heraus, wie er es mir auch zutraut. Das kann dennoch mit großer Anstrengung oder Mühe verbunden sein und ich gebe gerne zu, mich doch eher zurückhaltend und vorsichtig zu verhalten. Mit Sicherheit wäre ich in der damaligen Zeit einer der Jünger, der selbst nach Jesu Besuch im verschlossenen Raum bremst: „Wartet mal. Sollen wir wirklich wieder nach draußen? Da sind doch Menschen und nicht gerade wenige! Wer weiß, ob wir nicht etwas vergessen haben, den Topf auf dem Herd oder überhaupt die notwendigen zwischenmenschlichen und fachlichen Kompetenzen aufbringen.“
Sie, liebe Verbraucher*innen vor den digitalen Endgeräten, die ich mutig und kreativ erlebt habe, werden ganz sicher Wege finden, in der aktuellen Lage nicht passiv zu verharren, sondern Bedeutsames zu entdecken. Von Manchem höre ich öffentlich: Kirchenglocken läuten; Menschen klatschen von ihrem Balkon aus, jeden Abend um 19:00 Uhr; Andere stellen zur selben Zeit ein Licht in das Fenster, als Zeichen der Solidarität und Dankbarkeit mit allen, die unverzichtbare Dienste leisten. Ich möchte dabei nicht vergessen, dass diesen Luxus nur wenige haben. Viele stehen beruflich vor einer existenziellen Bedrohung, selbst ganze Branchen verlieren Aufträge und welches Unternehmen kann es sich schon leisten, mehrere Wochen ganz und gar ohne Einnahmen auszukommen? Was ist da schon eine nett gemeinte Glocke? Nun, sie ist zumindest ein Zeichen der Anteilnahme. Ich bin mir meines unglaublichen Luxus’ bewusst und werde weder vergessen, noch ist mir egal, dass andere um ihre Zukunft bangen. Ich denke an euch und bin sicher, mit mir zusammen tun es viele. Diese Vielen werden Lösungen finden und Hilfe bieten. Darauf vertraue ich.
Ihr Stephan Napieralski, Gemeindereferent
Bild: Jim Wanderscheid
In: Pfarrbriefservice.de