Hochfest Mariä Verkündigung
„In jener Zeit wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete,
der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. […]“
So lesen wir am heutigen Hochfest Mariä Verkündigung im Lukasevangelium.
In den meisten Predigten, die ich bisher am 25. März, gehört habe, wurde man aufgefordert, sich zu fragen, wen der Engel wohl vorfinden würde, wenn er heute bei einem persönlich einträte; wie er jeden einzelnen vorfinden würde. In Zeiten des Home-Office wohl den ein oder anderen in Jogginghose… Ich finde diesen Gedanken nach wie vor spannend und es macht sicher Sinn, sich nicht nur ein Mal im Jahr damit auseinanderzusetzen, ob man offen ist für die Botschaften Gottes im Leben, ob man auch selbst sein „Ja“ spricht zu dem, was er einem anbietet, ob man durch die Türen geht, die er für einen öffnet, oder ob man aus Angst oder Bequemlichkeit lieber stehenbleibt und abwartet; ob man vielleicht gar nicht merkt, was Gott überhaupt sagen will?
In den letzten Wochen aber werden wir nicht mehr gefragt. Wir hätten, wären wir im Vorfeld zu den aktuellen Entwicklungen gefragt worden, wohl nicht unser „Ja“ gesprochen. Große Teile unseres gewohnten Lebens verändern sich von einem Tag auf den anderen und all das entzieht sich unserer Kontrolle.
Wer Glück hat, spürt als direkte Folgen nur die geforderte physische Distanz zu den Mitmenschen, die Einschränkungen im sportlichen oder kulturellen (Freizeit-)Angebot, vielleicht auch das Home-Office. All das sind Dinge, die man aushalten kann in der Perspektive, dass es sich auch wieder ändern wird. Viel schwerer trifft es die, die in ihren Wohnungen zu wenig Platz und keinen Garten haben, aber mit ihren Kindern vor geschlossenen Spielplätzen stehen, die selbst erkranken oder einen Bekannten/Angehörigen zu den Betroffenen zählen müssen. Meine Gedanken und Gebete sind in diesen Tagen auch – neben den schwer Erkrankten und Sterbenden – besonders bei denen, die innerhalb weniger Tage ihrer finanziellen Sicherheit beraubt, in Kurzarbeit geschickt wurden oder sogar ihren Job verloren haben; bei denen, die selbstständig sind und deren beruflichen (und damit auch finanziellen) Pläne auf einmal nicht mehr aufgehen.
Wie kann das Leben weitergehen, wenn einem ein unvorhergesehenes Ereignis plötzlich den Boden unter den Füßen wegzieht? Das kommt ja nicht nur in Zeiten von Corona, sondern immer wieder in Biografien vor: man wird vor vollendete Tatsachen gestellt, plötzlich ist nichts mehr, wie es einmal war und wird auch nicht so sein, wie man es sich vorgestellt hat.
Auch dazu könnte das heutige Evangelium Hinweise geben:
Anschauen
Bis der erste Schock verflogen ist, dauert es sicher seine Zeit. Dann kann es helfen, sich die neue Situation anzusehen, in ihr anzukommen. Auch Maria brauchte offensichtlich Zeit, um ihre neue Lebenswirklichkeit bei sich ankommen zu lassen. Wir lesen im Lukasevangelium, dass sie sich erst nach einigen Tagen auf den Weg zu Elisabeth machte. Sie ging nicht sofort los, verfiel nicht in Aktionismus, sondern nahm sich Zeit, ihre neue Situation anzuschauen und zu reflektieren.
Trauern
Um einen großen Schock bewältigen zu können, braucht es die Trauer um das Verlorene. Es ist wichtig, bewusst Abschied zu nehmen von dem, was unwiederbringlich ist, um anschließend in Ruhe überlegen zu können, welche neue Situation sich ergeben und welchen Handlungsspielraum man nun hat.
Sich mitteilen
Nach einigen Tagen Bedenkzeit macht sich Maria auf zu ihrer Cousine und Verbündeten Elisabeth. Es tut gut, seine Erfahrungen und Schicksalsschläge mit Menschen zu teilen. Nicht umsonst kennt der Volksmund das Sprichwort „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ und nicht umsonst ruft uns auch Paulus im Galaterbrief eindeutig dazu auf: „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Zu erfahren, dass jemand die eigene Last mitträgt, kann Kraft spenden. Im Gespräch können dann neue Wege und Perspektiven entdeckt werden, die einem selber nicht in den Sinn gekommen wären. Maria schöpft aus der Begegnung mit Elisabeth Kraft und Mut. Nach drei Monaten kehrt sie wieder nach Hause zurück und beginnt ihren neuen Lebensabschnitt als diejenige, die den Sohn Gottes zur Welt bringen soll.
Vielleicht können wir für diejenigen, die es durch alles, was mit der Corona-Pandemie einhergeht, schlimm getroffen hat, ein wenig Last mittragen, indem wir da sind, von uns aus den (Telefon-)Kontakt suchen und Hilfe anbieten. Dann wäre es wirklich nur physische Distanz, die wir wahren, aber soziale Nähe die wir durch Corona verstärken. Vielleicht ist das so eine Anfrage Gottes dieser Tage, zu der wir heute ganz bewusst unser „Ja“ sagen können.
Ihre Magdalena Kiess, Pastoralassistentin