Seien wir ehrlich: Für die Mehrzahl unserer Nachbar:innen hier in Berlin heißt der gestrige Tag nicht Himmelfahrt, sondern Vatertag. Vielleicht nennen sie ihn auch Männertag. Treu diesen Namens, wird der Tag dann typisch männlich gefeiert: Prosecco zum Frühstück, Maniküre, dann Staubsaugen und schließlich einen Kuchen backen. Spaß beiseite, es dreht sich natürlich alles um Kneipe, Fußballplatz, Fahrradtour mit Bollerwagen. „Ein Glück ist dieser Tag wieder vorbei!“, könnte es heute heißen. Nicht wenige werden in diesem Sinne aufatmen.
Seit mehreren Wochen denke ich beschämt an einen Artikel von Christiane Florin, in ihrem Blog „Weiberaufstand“. Der gestrige Tag, dieser Fokus auf den Mann und Männlichkeit, rief ihn besonders wach. Oft werden diese maskulinen Gruppen belächelt, diese herumstreunenden, lauthals posaunenden Herrschaften und überhaupt, diese Bezeichnung „Männertag“. Andersrum könnte ich über Kirche scherzen, die quasi permanent Männertag feiert und nicht in diesem Jahrtausend anzukommen scheint. Doch bei Diskriminierung vergeht mir das Lachen.
Egal, wie qualifiziert,
egal, wie engagiert,
egal, wie loyal oder kritisch,
egal, mit welchen Argumenten,
egal, ob einfach formuliert oder hochtheologisch vorgetragen,
will eine Frau in der Kirche Entscheidungen treffen, kommt sie früher oder später an einen Punkt, an dem ein Mann vor ihr steht und sie auf seine Zustimmung angewiesen ist. Sie kann dessen (Macht-) Position niemals erreichen und wenn sie sich noch so sehr weiterbildet, qualifiziert, vernetzt, einschleimt, verbrüdert oder verschwestert. Dass dieses Machtverhältnis diskriminierend empfunden wird, wundert mich nicht, nichtmal ein bisschen.
Christiane Florin findet in ihrem Artikel „Von Wolllust Weibern und Wahrheit“ Worte, die mich sehr nachdenklich stimmen. Einen Auszug daraus möchte ich mit Ihnen teilen:
Frauen werden behandelt wie gerade entdeckte, mutmaßlich gefährliche Wesen, wie Zeitgeistgespenster, die so schnell wieder verschwinden wie sie 1968 aufgetaucht sind.
Jahrelange, knallharte Recherchen haben mich zu drei Erkenntnissen geführt:
1. Es gibt Frauen schon so lange wie Männer.
2. Es gibt so viele Frauen wie Männer.
3. Es gibt Frauen schon länger als Bischöfe.Bisher hat diese Thesen nicht einmal ein lehramtstreuer, von Rudolf Voderholzer persönlich empfohlener Theologe wie Josef Kreiml in seinem Buch „Die Rolle der Frau in der Kirche“ widerlegt. Man kann gesichert behaupten: Es gab genug Zeit, um Frauen kennen zu lernen, ihnen zuzuhören und über sie nachzudenken. Trotzdem katholisch zu sein bedeutet für mich, solange weiter zu fragen, bis hinter den fadenscheinigen Begründungen die wahren Gründe für die Ablehnung sichtbar werden. Ich bin keine Psychologin, aber meine bisherige Suche legt eine Arbeitshypothese nahe: Jesus, sein Wille und seine Wahl sind nur Chiffren. Dahinter stehen diffuse Ängste vor weiblicher Sexualität, vor Veränderung und vor Machtverlust. „Jesus wollte nicht“, „Gott will nicht“ – die ehrliche Version wäre: „Ich will nicht“. Auf einer Theologinnentagung erzählte eine Coaching-Expertin von einem Experiment, mit dem Frauen die Angst vor Spinnen abgewöhnt wird. Eine Spinne sitzt im Glas, der Deckel ist fest zugeschraubt. Die Frauen betrachten die Spinne aus sicherem Abstand. Der Deckel wird geöffnet, die Teilnehmerinnen können die Spinne berühren, vielleicht lassen sie das Tier über den Arm krabbeln.
In der aktuellen Situation brauchen nicht die Frauen ein Coaching, sondern die beschlussfassenden Kleriker. Das Weib ist die Spinne im Glas. Geweihte Männer schauen sie an. Man weiß nicht, was passiert, wenn der Deckel geöffnet wird. Deshalb bleibt das Glas verschlossen. Ein paar Männer denken darüber nach, ob Spinnen ungefährlich sein könnten. Andere sind sich sicher: Sobald sich das Glas öffnet, ist das Ende nah. Auf Katholisch klingen die präventiv ausgestoßenen Schreckensschreie so: Spaltung! Die evangelische Kirche hat Pfarrerinnen und die Kirchenbänke sind noch leerer! Die Weltkirche! Es gibt wichtigere Themen! Die Angst vor Frauen raubt den Verstand. Ich hätte da ein paar logikgetriebene Rückfragen: Die Gleichberechtigung von Frauen ist laut Lehramt würdig und recht. Frauen haben einen eigenen Wert, Sie müssen ihn nicht erst verdienen, indem sie die Kirchenbänke füllen. Wären volle Kirchen und niedrige Austrittszahlen das Maß für die Weihewürde, dann müsste der deutsche Episkopat geschlossen zurücktreten. Ist das gemeint, wenn die evangelische Kirche als Schreckbild herhalten muss? In vielen Ländern der Welt werden Frauen unterdrückt.
Den ganzen Artikel finden Sie unter diesem Link:
Blog „Weiberaufstand“, von Christiane Florin
Ihr Stephan Napieralski, Gemeindereferent