Impuls für den Tag – 19.06.2020 – Verspottete Liebe
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Impuls für den Tag – 19.06.2020 – Verspottete Liebe

Moral ist gut. Das ist meine These. Ist sie heute noch objektiv gültig? Mein Eindruck ist, eher nicht. Hinter einem Streik für Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit steckt dann plötzlich nur die willkommene Ausrede, Schule zu schwänzen. Dirk Nowitzki besucht die Kinderstation im Krankenhaus doch nur wegen der laufenden Kameras. Michelle Obamas Verfilmung „Becoming“ auf Netflix will die aktuelle Anti-Rassimus-Welle geschickt ausnutzen und Seenotrettung ist sowieso illegale Schlepperei. Soweit die Vorwürfe.

Wenn jemand moralisch und vorbildlich handelt, muss dahinter doch eine finstere Absicht stecken. Wann wird Skepsis zu Misstrauen? Wann werden Zweifel zu Verschwörungsgedanken? Wann wird Gutgläubigkeit zu Naivität? Wann wird ein moralischer integrerer Mensch zu einem „Gutmenschen“? Und warum in aller Welt ist „Gutmensch“ eine Beleidigung?

Heute feiert die katholische Kirche das Hochfest Heiligstes Herz Jesu. Im Mittelpunkt dieses Festes steht die aufopferungsvolle Liebe Jesu, durch die er sein ganzes Leben der Zuwendung zu Armen, Kranken, Ausgegrenzten und Unterdrückten widmet. Doch wie reagiert das Umfeld zu seiner Zeit? Mit Spott. Mit Hohn. Mit Verachtung und schließlich mit einer Verurteilung.

Mich erinnert dieser Tag daran, einmal innezuhalten und zu hinterfragen: Was passiert da, wenn moralisch vorbildliches Verhalten plötzlich verspottet wird? In vielen Diskussionen, politisch, in Zeitungen und in sozialen Netzwerken, fallen mir dabei immer wieder populäre Strategien auf. Schauen wir uns einmal drei dieser Kniffe an:

  • Argumentum ad hominem
    Stellen wir uns vor, ein Vater raucht. Seinen Kindern vermittelt er: Rauchen ist nicht gut, es gefährdet eure Gesundheit. Recht hat er! Das ist schwer zu widerlegen. Sein Argument ist stark. Doch ich könnte stattdessen einfach ihn als Person angreifen: Du rauchst doch selber! Das widerlegt nicht seine Argumente, doch macht ihn unglaubwürdig. Hier ist es noch leicht zu durchschauen und doch kommt diese Strategie häufig vor. Es ist fast schon egal, was Greta Thunberg oder auch Philipp Amthor sagen, es lässt sich im Anschluss mit Sicherheit ein Artikel finden, der auf ihr Alter oder Aussehen hinweist. Ein geschickter und doch hinterhältiger Wechsel, von der Sachebene, auf’s Persönliche.

 

  • Strohmann
    Ähnlich effektiv lässt sich eine gefestigte Position angreifen, indem ihr ein Strohmann untergeschoben wird. Das ist eine anfälligere Position, die ein Diskussionspartner zwar nicht behauptet hat, doch die ähnlich klingt. Ein Beispiel: Auf ein „Mir gefällt Deine neue Frisur.“ könnte ich entgegnen: „Ach, Du fandest meine alte Frisur also hässlich? Was fällt Dir ein mich überhaupt so zu beurteilen!“ Das eigentlich ausgesprochene Meinung lässt sich schwer angreifen. Es ist schließlich eine Geschmacksfrage. Doch die untergeschobene, abgewandelte These ist natürlich unhaltbar. In diesem Beispiel leicht zu durchschauen, fällt diese Strategie weniger auf, je näher die beiden Positionen beieinander liegen.

 

  • Whataboutism
    Um eine Diskussion völlig abzuwürgen, ist auch diese Ausweichtaktik ein einfacher Trick. Ein Problem lässt sich abwimmeln, mit dem Hinweis auf ein viel größeres Problem, häufig in der Form „Und was ist mit …?“ Natürlich wäre der Fairtrade-Kaffee in unseren Gemeinden ein gutes und verantwortungsbewusstes Zeichen. Und was ist mit der Plastikverpackung, in der auch dieser Kaffee steckt? Und was ist mit den Bratwürsten, müssen wir nun auch „bio“ kaufen oder sogar vegan? Und was ist schließlich mit den armen Familien, die nun nicht einmal mehr durch Kinderarbeit Geld bekommen? Da sich immer ein noch größeres Problem finden lässt, ist dieses Vorgehen so einfach. Im Zweifel ist die Ungerechtigkeit und Armut auf der ganzen Welt stets größer, als jede scheinbare Kleinigkeit des Alltags.

Dies sind nur drei, von vielen rhetorischen Tricks. Lassen wir uns heute, an diesem Festtag des Heiligen Herzens Jesu, nicht von solchen Strategien in die Irre führen. Gute Argumente lassen sich davon nämlich nicht widerlegen. Im Gegenteil, eigentlich offenbaren solche Strategien eine Sprachlosigkeit. Wer sie anwendet, weiß sich nicht weiter zu helfen und ich gehe noch einen Schritt weiter: Sie sind eine Form von Gewalt, denn sie verhindern eine aufrichtige Diskussion.

Ihr Stephan Napieralski, Gemeindereferent


Bild: Hans Heindl
In: Pfarrbriefservice.de

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