Karfreitag – Heute ist der Tag, an dem ich für gewöhnlich mit Familien in einer Kreuzwegandacht bete. Gewöhnlich ist dieses Jahr gewiss nicht. Doch ist gerade das auch aufmunternd, denn dieser andächtige Tag wird eben nicht gewöhnlich und routiniert ablaufen, sondern hinterfragt selbst grundlegende Selbstverständlichkeiten.
Dieser Tagesimpuls wird etappenweise serviert. Ich möchte Sie gerne mitnehmen, auf den Kreuzweg. Um 11:00 Uhr, um 13:00 Uhr, um 15:00 Uhr und um 17:00 Uhr werde ich Ihnen jeweils einige Gedanken und Anregungen zu Stationen des Kreuzweges schreiben. Ich hoffe sehr, auch Sie fühlen dabei ein Stück weit eine Verbundenheit, die uns heute durch den Tag zusammenführt.
Sie werden zwei Stücke Holz benötigen. Ich hoffe, Sie finden welche. Es reichen ganz kleine: Zahnstocher, Schaschlik-Spieße oder Streichhölzer. Sie werden uns heute symbolisch begleiten und einige Gedanken veranschaulichen.
Erste Station: Jesus nimmt das Kreuz auf sich
Nehmen Sie Ihre zwei Stücke Holz in die Hände. Sie lassen sich biegen, halten sogar einiges aus. Holz „arbeitet“. Ganz sicher haben Sie dieses Geräusch in den Ohren, von schweren Holzbalken, die in einem stillen Haus knarzen und knacken. Sie tragen ein ganzes Haus, die Steine, die es zusammenhalten und selbst das Leben der Menschen, die dort wohnen.
- Was gibt Ihnen Kraft, Belastungen zu ertragen?
- In welchen Situationen kann Sie nichts erschüttern?
- Welche schweren Lasten haben Sie täglich zu tragen?
- Welche davon sind schwer erträglich, wie ein Kreuz?
Mein Vorschlag an Sie ist: Tragen Sie diese zwei Stückchen Holz doch heute mit sich, zum Beispiel in der Hosentasche. So haben Sie ein kleines Erinnerungsstück, das sie durch den Tag begleitet und, das kann ich versprechen, später noch ein bisschen weiter führen wird. Um 13:00 Uhr folgt hier eine weitere Station.
Jesus trägt sein Kreuz selbst und, auch wenn es hart klingt, das ist ein Werkzeug zur Folter. Dieser Gott, an den ich glaube, trägt schwere Lasten mit uns zusammen. Wenn Sie möchten, beten wir gemeinsam: Jesus, Dein Kreuz ist groß und schwer, so wie das Leid vieler Menschen. Heute weiß ich, Du trägst meine Last mit mir zusammen und vergisst all die Menschen auf der Welt nicht, die andere Lasten mit sich tragen. Ich danke Dir, mein Herr und mein Gott!
Zweite Station: Jesus bricht zusammen
Brechen Sie beide Stücke in der Mitte durch. Sicherlich geschieht das nicht in einem Ruck, sondern das Holz splittert langsam. Nacheinander reißen die verschiedenen Fasern. Es entsteht so etwas wie eine Wunde, die immer weiter aufbricht, bis sie nicht mehr hält. Die getrennten Stücke zusammenzufügen, ist nun nicht mehr ohne weiteres möglich. Ganz gleich, wie vorsichtig die Stücke wieder zusammengesetzt werden, die Bruchstelle bleibt verletzlich.
- Wann wird es Ihnen zu viel?
- Gibt es Auslöser, durch die Sie eine Situation nicht mehr ertragen wollen?
- Wann ist eine Last so groß, dass Sie unter ihr brechen?
- Welche Wunden sind Ihnen im Gedächtnis, die sich nicht ohne Spuren wieder zusammensetzen lassen?
Bitte werfen Sie die Bruchstücke nicht weg! Gerade heute können sie uns erinnern, dass Brüche, Niederlagen und schwere Verletzungen zu unserem Leben gehören. Jesus hat sie nicht triumphal hinfortgewischt. Jesus hat sich nicht zu den mächtigen Gewinnern gesellt. Nein, er hat furchtbares Leid ertragen, erduldet und ausgehalten. Für mich gibt es kein größeres Zeichen, dass mein Gott den Schwachen beisteht.
Jesus, ich denke an meine Brüche und Rückschläge. Ich denke auch an Menschen, die verletzt sind. Derzeit gibt es viele Kranke. Wir beten für sie und alle Mutigen, die sich um Menschen kümmern. Ich bitte Dich um Kraft, mein Herr und mein Gott!
Dritte Station: Jesus wird gekreuzigt
Vier Stückchen Holz sind es geworden. Sie haben einiges durchgemacht, gehörten zusammen, wurden gebogen und begutachtet, wurden verletzt und gebrochen. Vielleicht ahnen Sie es längst: Aus diesen vier Stücken können Sie ein Kreuz formen. Es ist sogar ein ganz sonderbarer Gedanke, wenn Sie ausgerechnet die wunden Stellen dazu in der Mitte vereinen. Ist es nicht ein ein erstaunliches Symbol, das dabei entsteht?
- Ausgerechnet Schwächen, Verletzungen und Brüche wirken verbindend. Ist es nicht genauso, in guten Freundschaften und tiefen Beziehungen?
- Es braucht etwas, das diese Verbindung hält. Das Kreuz allein hält so nicht zusammen. Was könnte es sein?
- „Liebe“, wäre wohl meine Antwort. Gar nicht so abwegig, wenn ich überlege. Jemanden zu kennen, in all seinen Facetten, mit Stärken und Charakterzügen, die mir gefallen, wie auch mit den Schwächen und all das auszuhalten. Ist das nicht Liebe?
- „Gott“, ist doch sicher auch eine gute Antwort. Natürlich, denn ich glaube, dass Gott uns Menschen untereinander und zu sich selbst in Verbindung hält, trotz oder vielleicht sogar gerade durch alle vermeintlichen Schwächen.
- Was ist Ihre Antwort? Was hält dieses gebrochene Kreuz zusammen?
Jesus, Deine Liebe ist stärker als all der Streit, stärker als Ungerechtigkeit, stärker als alle Wunden und sogar stärker als der Tod. Ich danke Dir, mein Herr und mein Gott!
Vierte Station: Grabesruhe
Nun ist Stille. Die Zeit, ab jetzt und bis zum Osterfest, fühlt sich für mich persönlich etwas seltsam an. Gerade der morgige Karsamstag lebt nicht mehr in dieser Schwere des Karfreitags. Gleichzeitig ist es noch nicht der Ostertag. Ein stiller Tag dazwischen. Oft bereite ich irgendetwas für das Osterfest vor. Ein Glück, denn dadurch wird dieser Tag sehr hoffnungsvoll. Was muss der historische Karfreitag für ein Niederschlag für all die Jünger Jesu gewesen sein? Verstreut und versteckt heimzukehren, das lässt sich im Moment leicht nachempfinden, doch diese Hoffnungslosigkeit der Jünger – Ich bin froh und erleichtert, schon heute hoffnungsvoll an Ostern zu denken.
Ich habe einen Vorschlag an Sie. Lassen Sie uns diesen Karsamstag als einen hoffnungsvollen Tag gestalten. Wenn Sie möchten, schicken Sie mir doch eine Hoffnungsbotschaft. Wie wäre es mit einem Photo, einem Bild, das für Sie Hoffnung bedeutet. Ich würde diese Bilder dann am kommenden Freitag, in der Osterwoche, hier als Tagesimpuls veröffentlichen. Dann bin nicht ich es, der Ihnen Gedanken mitteilt, sondern Sie bereichern sich gegenseitig mit hoffnungsstiftenden Botschaften. Ich kann mir ehrlich gesagt kaum einen stärkeren, österlichen Impuls vorstellen und auch kaum eine tiefgründigere Einstimmung, auf das bevorstehende Fest.
E-Mail: stephan.napieralski@erzbistumberlin.de
Ich wünsche Ihnen gesegnete Tage, eine angenehme Ruhe am Karsamstag und schon jetzt ein Ostern voller Hoffnung!
Ihr Stephan Napieralski, Gemeindereferent