Wahrscheinlich ist es meinem früheren Jurastudium geschuldet, dass ich an Texten der heiligen Schrift immer dann hängen bleibe, wenn es um Gesetz, Richter, das Richten und das Gericht geht. Im heutigen Johannesevangelium wird angekündigt, wie Gott selbst die Menschen richten wird. Besonders am Vers 48 im 12. Kapitel des Johannesevangeliums bin ich hängen geblieben und würde dazu einige Gedanken teilen wollen.
Dieser lautet:
Wer mich verachtet und meine Worte nicht annimmt, der hat schon seinen Richter: Das Wort, das ich gesprochen habe, wird ihn richten am Letzten Tag.
Ich frage mich ganz einfach: „Warum erzählt er denen das?“ Es bietet sich die einfache Antwort an. Für den Fall dass sein Wort nicht angenommen und sogar verachtet wird, droht er den Richter und damit verbunden eine Strafe an. Es ist viel Leid damit angerichtet worden, dass von Seiten der Kirche versucht wurde, mit genau dieser Drohung das „richtige“ Handeln zu erzwingen. Es beantwortet mir aber nicht die Frage, warum dies erzählt wird. Diejenigen die sich um Jesus versammelt haben um seine Worte zu hören, respektieren diese und sind wahrscheinlich fest entschlossen, so gut sie eben können danach zu handeln.
Was haben sie Jesus gefragt, dass er ihnen erklärt, dass wer sein Wort nicht annimmt und es verachtet, bereits einen Richter hat? Dies lässt sich vielleicht verstehen, wenn wir uns fragen, was wir von einem Richter erwarten. In der Regel, dass er Recht spricht, dass wir also Gerechtigkeit erfahren. Warum also wird bei denen, die das Wort nicht annehmen und sogar verachten, keine Gerechtigkeit gesehen? Dies wiederum erklärt sich vielleicht, wenn wir einmal annehmen, dass es den Zuhörern Jesu in dieser Erzählung so ergeht wie mir, aber wahrscheinlich auch vielen von Ihnen. Es hat offensichtlich überhaupt keine Konsequenzen, wenn wir nicht beachten, was uns als Christen aufgegeben ist. Manchmal ist es sogar so, dass wir scheinbar die Dummen sind, weil wir ein Wort befolgen, dass uns zum Beispiel lehrt, auf die Schwachen Rücksicht zu nehmen und denen, die nichts haben, großzügig zu geben. Ist es nicht einfacher, rücksichtslos seine Interessen zu verfolgen und wenn man viel hat, dies für sich zu behalten?
Ich frage mich das gerade in diesen Tagen. Die vielen Einschränkungen haben damit zu tun, dass ich Rücksicht auf andere nehme, für die eine Infektion mit dem Coronavirus gefährlicher ist als für mich. Mir selbst, noch recht jung und gesund, würde wahrscheinlich wenig passieren.
Mir und ich könnte mir vorstellen vielen von Ihnen auch, geht es oft so, dass ich wohl weiß, dass es richtig ist, nicht immer das zu tun, was hier und jetzt das Angenehmste ist. Wenn wir aber sehen, dass andere, die genauso handeln, davon nicht nur keine Nachteile haben, sondern wir scheinbar die Dummen sind, weil wir Rücksicht nehmen und sogar auf dieses und jenes verzichten oder es abgeben, dann wissen wir vielleicht, dass es richtig ist, was wir machen, aber wir fühlen uns ungerecht behandelt. Wir können keine Gerechtigkeit also keinen Richter finden, weshalb vielleicht auch wir geneigt wären Jesus zu fragen: „Wo ist der Richter für die, die dein Wort verachten?“
Ihr Daniel Tinten, Priesteramtskandidat,
derzeit für ein Jahr zum Pastoralpraktikum in der Pfarrei St. Josef Treptow-Köpenick
Bild: Peter Weidemann
In: Pfarrbriefservice.de