Momentaufnahme
Liebe Gemeinde,
heute darf Sie ein Gedicht von Laura Meemann (Studentin in Münster) inspirieren. Sie schreibt Texte und tritt damit in sog. Poetry-Slams auf. Das sind Formate, in denen junge Lyriker ihr Geschriebenes vor gemischtem Publikum, in lockerer Athmosphäre und ohne Anspruch auf Perfektion vortragen. Oft haben Poetry-Slam-Texte den Duktus einer spontanen Momentaufnahme. So auch dieser: der Blick einer jungen Frau auf die veränderten Lebensumstände durch Corona aber im Bewusstsein der lebensbejahenden und stärkenden Kraft ihres Glaubens.
Das Gedicht ist auf dem Blog „feinschwarz.net“ erschienen, der sich selbst als „theologisches Feuilleton“ bezeichnet. Vielleicht ist der ein oder andere Gedanke für Sie dabei. Oder Sie stellen sich gar selbst die Frage, was „es“ zur Zeit ist: in den veränderten Bedingungen, in Ihren Beziehungen, in Ihrem Glauben. Für Sie.
Was es ist. Für mich.
Freiheit ist
Du weißt doch gar nicht, was Freiheit ist.
Ich,
zu jung das zu verstehen,
nie die Mauer gesehen
Europa grenzenlos
Generation Erasmus.Hoffnung ist
Du weißt doch gar nicht, was Hoffnung ist.
Ich,
zu privilegiert geboren
keine existentiellen Sorgen
Luxusprobleme
Lebenssichernde Systeme.Licht ist
Du weißt doch gar nicht, was Licht ist.
Ich,
zu beleuchtet das zu verstehen
kaum dunkle Zeiten gesehen.
Laternenstraßen
Lichtermassen.Liebe ist
Du weißt doch gar nicht, was Liebe ist.
Ich,
zu unerfahren, um das sagen
bedingungslos, einander ertragen
Ungetrennt
Kaum krisenkompetentLeben ist
Du weißt doch gar nicht, was Leben ist
Ich,
zu wenig erlebt und gewesen
mein Sein zwischen Fremden Ideen
Gesterngefangen
Zukunftsbangen.Glaube ist
Du weißt doch gar nicht, was Glaube ist.
Ich,
zu überflutet von Eindrücken
kaum fragenraumgebende Lücken
Glaubensgrundlos
Gottessprachlos.——
Freiheit ist,
noch immer lachen
Mehr als
auf Fakten aufmerksam machen.Hoffnung ist,
weiter gehen
Mehr als
Rückschau im Stehen.Licht ist,
andere zum Leuchten bringen
Mehr als
die Dunkelheit verringern.Liebe ist,
es wagen
Mehr als
über Entfernung klagen.Leben ist,
es mit allem wollen
Mehr als
ständig nur alles sollen.Glaube ist,
„trotzdem“ sagen
Mehr als
verstorbene Priester beklagen.Glaube ist,
jetzt mitgestalten
Mehr als
da gewesenes am Leben erhalten.Glaube ist,
nach vorne schauen
Mehr als
auf Livestreameucharistie bauen.Glaube ist,
den Funken spüren
Mehr als
einen Bildschirm berühren.Glaube ist,
Menschen erreichen
Mehr als
Veranstaltungen alternativlos streichen.Glaube ist,
letztlich unbegreiflich
Mehr als
Defintionshoheit an sich.Glaube ist Freiheit
Glaube ist Hoffnung
Glaube ist Licht
Glaube ist Liebe
Glaube ist Leben
Glaube ist.
Trotzdem.(Von Laura Meemann, Studentin, Münster)
Gedicht: Blog „feinschwarz.net“
Illustration: pixabay.com