Hl.Josef – Patron unserer Pfarrei – Predigt Kardinal Meisner 2014  | Geistlicher Impuls | 19.03.2025

Hl.Josef – Patron unserer Pfarrei – Predigt Kardinal Meisner 2014 | Geistlicher Impuls | 19.03.2025

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Pfarrei St.Josef Treptow – Köpenick,

zum heutigen Patronatsfest unserer Pfarrei eine Predigt von Kardinal Meisner hier an dieser Stelle, die sein ehemaliger Sekretär, Pfr. Josef Rudolf uns zur Verfügung stellte:

 

Predigt zu Ehren des hl. Josef in Kalisz in Polen am 5. Mai 2014

 Liebe Schwestern, liebe Brüder!

 1. Der hl. Josef hatte anderthalbtausend Jahre lang keine eigene bildliche Darstellung in der Kirche gefunden. Er war immer nur bildlich am Rande zu sehen, wenn etwa die Heilige Familie dargestellt wurde in Bethlehem oder auf der Flucht nach Ägypten oder im Leben von Nazareth. Erst seit dem 17. Jahrhundert gibt es vereinzelt in der christlichen Kunst Bilder, die den hl. Josef in der Mitte der Darstellung allein zeigen. Der hl. Josef als Schutzpatron der Kirche hatte bis ins 20. Jahrhundert hinein keine Darstellung im Petersdom in Rom. Im Heiligen Jahr 1950 suchte ein Mädchen mit seiner Mutter aus Deutschland vergeblich in St. Peter in Rom nach dem hl. Josef. Das Kind schrieb deswegen an Papst Pius XII. Der Papst ließ daraufhin gleich im linken Querschiff von St. Peter einen Josefaltar errichten. Nach dem Plane Gottes aber ist Josef als ein Mann am Rande geplant, der aber immer dort nicht fehlte, wo er nötig war. Gott scheint die Randexistenzen besonders zu lieben.

 Im 6. Kapitel des Johannesevangeliums wird uns berichtet, dass 5.000 Männer hungrig in der Wüste mit Jesus gegenwärtig waren. Sie hatten nichts an Proviant in ihren Taschen, aber einen großen Hunger in ihren Mägen. Jesus sagte zu seinen Jüngern: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mt 14,16). – Aber woher nehmen und nicht stehlen. – Und da sagte Andreas: „Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; doch was ist das für so viele!“ (Joh 6,9)“. Der Herr ließ ihn vom Rand in die Mitte rufen. Er gab das Wenige, was er hatte, in die Hände des Herrn, sodass er so arm war wie alle anderen. Der Herr hatte dann aus seinem Wenigen die Fülle gemacht, sodass alle satt wurden und noch zwölf Körbe von den übrigen Broten gefüllt wurden. Gott liebt die Ränder. Darum ist der kleine Junge in der Wüste eine typische Josefsexistenz.

Darum stand der hl. Josef auch ganz am Rande des Marienlebens und am Rande des Christuslebens. Deshalb steht Josef wohl auch am Rande des Lebens in der Kirche und am Rande des Bewusstseins der Christenheit. Auch als Schutzherr der Kirche ist er wohl – wie wir hörten – eine Randexistenz geblieben.      Ich bin heute hier zum ersten Mal in meinem langen Leben in einem Wallfahrtsort des hl. Josef. Darum danke ich für diese Einladung nach Kalisz, wo der hl. Josef nicht mehr am Rande, sondern zwischen Christus und Maria in der Mitte steht.

 2. Der hl. Josef ist ein Mann der Tat und nicht des Wortes. Von ihm werden bekanntlich nur Taten überliefert und keine Worte. Er verkörpert damit das Idealbild eines Christen. Der Herr sagt ausdrücklich: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt“ (Mt 7,21). Und das Wort Gottes ist Fleisch geworden, ist Tat geworden und will in der Tat bezeugt werden. Ich hatte mir am Allerheiligenfest des vergangenen Jahres den hl. Josef zu meinem Hauptpatron erwählt, weil eigentlich von mir nur Worte berichtet und geschrieben werden über Vorträge, Predigten und Bücher, aber kaum Taten. Namentlich, wenn der Mensch älter wird, dann ist es wichtig, dass er weniger redet und mehr tut. Und darum ist der hl. Josef auch besonders ein Wegbegleiter älterer Bischöfe, Priester und Christen.

 Die Tat hat im Evangelium immer die Priorität vor dem Wort. Der hl. Josef ist – wie man zu sagen pflegt – kein „Maulheld“, sondern ein „Tatzeuge“. Er machte keine großen Worte, er vollzieht vielmehr große Taten. Selig der Christ, über den nicht so viel geschrieben wird, aber der mehr bekannt ist durch sein lautloses, aber inhaltsvolles Tun des Evangeliums! Sein Wort ist abgedeckt durch die Tat.

3. Der hl. Josef ist ein Mann der Überforderung. Er lebte eigentlich immer in Überforderungssituationen. Zunächst die analogielose Schwangerschaft seiner Braut. Wie sollte er sich da zurechtfinden und damit fertig werden. Alle großen Verheißungen Gottes über seinen Pflegesohn: „Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden“ (Lk 1,32), etc. waren zu seinen Lebzeiten nicht erfüllt oder sichtbar. Das schwächliche Ausweichen vor dem Tyrannen Herodes nach Ägypten war doch auch kein Beweis für den, der Sohn des Allerhöchsten genannt wird. Das alles: Verheißung und Erfahrung waren für Josef hoffnungslose Überforderungen. Aber durch die Nähe zu Christus, seinem Pflegesohn, hat er diese Überforderungssituationen in seinem Dasein gemeistert. „Meine Gnade genügt dir, denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit“ (2 Kor 12,9), sagt der Herr zu Paulus. Das hat der hl. Josef schon ein Menschenalter zuvor praktiziert. Eine besondere gnadenhafte Befähigung in der Überforderung war und ist die Geduld des hl. Josef. Der hl. Josef konnte warten, weil er an die Kraft der göttlichen Vorsehung glaubte.

 Gott ist immer da, und Gott steht uns zuverlässig bei. Das wusste Josef. Darum lief er nicht davon. Geduld ist eine der wichtigsten Haltungen, die ein Seelsorger und überhaupt ein Christ haben sollten. Wie lange warten Mütter oder Väter oft auf verlorene Töchter und Söhne? Wie langen warten Pfarrer auf Christen, die der Kirche den Rücken gekehrt haben? Wie lange warten wir selbst auf unsere eigene Heiligung in der Nachfolge Christi? Der hl. Josef geht mit Maria in Geduld drei Tage auf die Suche nach dem verloren gegangenen Jesus. Es ist interessant, dass selbst Josef und Maria christuslos gewesen sind, wenn es auch nur für drei Tage war. Aber sie kennen wohl auch dann die Situation von Menschen, die etwa dreißig Jahre bis jetzt christuslos geblieben sind und ermutigen sie zur Umkehr und Geduld. Als Josef und Maria spürten, dass sie Jesus verloren hatten, taten sie dasselbe, was wir auch heute tun sollen, wenn wir Christus verloren haben: drei Tage oder länger auf Exerzitien zu gehen.

Die Nähe zum Herrn ließ den hl. Josef alle Überforderungen überstehen. Und so wurde er zum Krisenmanager der Christenheit. Er wird von vielen christlichen Ordensgemeinschaften, von Pfarrgemeinden oder von einzelnen Christen als Helfer in der Not angerufen. Darum ist er wohl auch sicher der Patron eines guten Todes geworden. Denn hier gelangt der Mensch in seine größte Lebenskrise, sodass der Krisenmanager St. Josef dann zur Stelle ist. Auf ihn kann man sich verlassen! Er fehlt dort nicht, wo er nötig ist!

 Das ist mir bei der Lektüre der Chronik eines Heimes für geistig-behinderte Kinder aus dem Jahre 1942 bewusst geworden. Das Haus mit 200 kranken Kindern wurde von den Barmherzigen Schwestern des hl. Vinzenz geleitet. Das Hitlerregime hat geistig-behinderte Menschen, ob jung oder alt, töten lassen. Man nannte das Euthanasie. Die Schwestern trugen jeden Abend eine große Figur des hl. Josef vor die Haupttür, und zwar mit dem Gesicht zur Stadt hin. Und dabei sagten sie: „Heiliger Josef, wir stärken deinen Rücken durch unser Gebet. Du aber schütze unsere Kinder vor den Nazis!“. Im Jahre 1942 starteten die Nazis dann einen letzten Versuch. Sie behaupteten, die Ordensschwestern würden die Kinder anhalten, das Hitlerbild, das im Hause hängen musste, zu bespucken. Es wurde ein regelrechtes Gerichtsverfahren im Haus veranstaltet. Die Schwestern bereiteten den Prozess mit einer Sturmnovene zum hl. Josef vor. Im Mittelpunkt des Prozesses stand das Hitlerbild. Der erste geist-behinderte Junge wurde vorgeführt, der nun bestätigen sollte, dass die Schwestern ihn veranlasst hatten, das Hitlerbild zu bespucken. Der Vernehmungsrichter fragte den Jungen, ob er das Bild sähe. Der Junge antwortete darauf mit „Ja“. Dann kam die Frage, wer das auf dem Bild sei. Die Antwort des Jungen darauf: „Das ist der hl. Josef“. Darauf eine fassungslose Stille im Gericht. Der Prozess musste eingestellt werden, denn der Inhalt der Anklage war gegenstandslos geworden. Der hl. Josef als Schutzpatron des Hauses rettete in letzter Stunde die Kinder, indem er sich mit Hitler identifizieren ließ. So was macht nur der hl. Josef! Papst Benedikt XVI., der mit weltlichem Namen „Joseph“ heißt, sagte: „Für eine solch geniale Rettungstat des hl. Josef gibt es keine Parallele“. Unterschätzen wir ja nicht den hl. Josef!

 4. Dann ist der hl. Josef ein Heiliger der Diskretion. Er schwieg, als er mit der analogielosen Schwangerschaft seiner Braut vertraut wurde und zerrte Maria nicht in die Öffentlichkeit. Er veranstaltete keinen Medienskandal, indem er eine Pressekonferenz zum Thema „Schwangerschaft der Jungfrau Maria“ einberief. Er wartete und schwieg. Er hielt aus in der Ungewissheit vor dem allwissenden Gott. Ja, Josef wurde zum schweigenden Mitwisser der Geheimnisse Gottes selbst. Solche Typen braucht Gott ganz besonders in dieser Welt unter uns Bischöfen, Priestern, aber auch unter allen Christen. Im Zeitalter der Medien wissen wir, wie sehr Redseligkeit oder Geschwätzigkeit die Atmosphäre unter den Menschen vergiften oder verfälschen kann und daraus dann ein medialer Skandal entstehen kann zu Lasten bestimmter Menschen. Es stimmt schon: „Reden ist Silber, aber Schweigen ist Gold“. Dafür bürgt der hl. Josef in Person. Die seelsorgliche Fruchtbarkeit eines Seelsorgers steht und fällt mit seiner Fähigkeit zum Schweigen. Ein geschwätziger Priester empfiehlt sich nicht als Beichtvater! Auch in der Kirche wäre manches Ärgernis nicht vorhanden, wenn wir Bischöfe und Priester mehr handeln als reden, mehr schweigen als schwätzen würden. Gottes Liebe ist unbegreiflich, aber sie umgreift jeden Einzelnen von uns. Das zeigt uns das Leben des hl. Josef. Als Gott sich durch den Engel im Traum bei Josef meldet, um ihn aufzuklären, worin das Geheimnis der Schwangerschaft seiner Braut Maria besteht, war Josef Maria noch würdig. Er hatte nichts verraten. Er hatte nichts preisgegeben. Er hatte keine falsche Andeutung gemacht. Er verharrte im wartenden Schweigen. Er gab damit Gott die Möglichkeit, bei ihm und in der Welt zu handeln.

5. Der hl. Josef ist der Platzhalter Gottes. Er ist wirklich eine normative Gestalt des Christlichen geworden. Indem er Maria die Möglichkeit gab, ihre letztlich unwahrscheinliche Mutterschaft aus der Kraft des Heiligen Geistes zu leben, schaffte Josef Gott in unserer Welt Raum und Zeit. Wir leben in einer entscheidenden Stunde unseres Volkes, unserer europäischen Völker, unserer ganzen Welt. Wir brauchen dringend Josefs-Existenzen, Platzhalter Gottes in unserer armen Welt, ganz besonders im Osten Europas, aber auch ganz besonders im Westen Europas, ja überall! Die Kirche bleibt unter dem Wort des Herrn, die Welt zu christianisieren, indem wir als gemeinsamen Nenner die Christusgläubigkeit leben und verkünden, damit der Mensch in seiner abbildhaften Gestalt Gottes sichtbar wird. Dabei sind Josefs-Existenzen gesucht! Frauen und Männer, die Platzhalter Gottes in unserer Gesellschaft sind. Dieser Auftrag garantiert unseren Völkern allein Hoffnung und Zukunft! Amen.

 + Joachim Kardinal Meisner

  Erzbischof von Köln

 

Beitragsbild: Pfarrbriefservice / Marion Mack /

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