Am heutigen Tag begeht die Kirche den Gedenktag des heiligen Hieronymus. Dieser wirkte im 4. Jahrhundert als Kirchenlehrer. Ihm wird der Ausspruch „Wer die Schrift nicht kennt, kennt Christus nicht“ nachgesagt. In der Tat ist es seiner Arbeit zur heiligen Schrift, die ihn bis heute bekannt und verehrt gehalten hat. Sein wohl bekanntestes Werk ist die Übersetzung der Bibel ins Lateinische, die sog. Vulgata. Nicht so berühmt geworden wie dieses, bis heute als maßgeblich angesehene Werk, sind seine Kommentare zur heiligen Schrift. Die Tatsache, dass trotz der Übersetzung in die zumindest unter Gelehrten jener Zeit und auch der Jahrhunderte danach gebräuchliche Sprache, das Lateinische, weiterhin Kommentare nötig waren, zeigt, dass das Verstehen der Schrift nie abgeschlossen ist. Gerade auch mit der Vulgata verbindet sich oft die Vorstellung, dass es die eine maßgebliche Übersetzung der heilige Schrift gibt, mit der dann ein für alle mal klar ist, was welches Schriftwort für uns Christen zu bedeuten hat. Damit verbindet sich die Illusion, beim Verständnis der Schrift und damit wie Hieronymus richtigerweise bemerkt beim Verständnis Jesu Christi, am Buchstaben kleben bleiben zu können. Es zeigt sich allerdings bis heute, dass in Sachen heiliger Schrift mitnichten ein für allemal gesagt ist, was sie für uns Christen zu bedeuten hat. Dies wäre übrigens nicht im Sinne des heiligen Hieronymus, der, wie die erwähnten Kommentare zur heiligen Schrift zeigen, die Diskussion über diese zeitlebens fortgesetzt hat. Auf die Übersetzung ins Lateinische folgten zahlreiche Übersetzungen in mittlerweile nahezu jede Sprache des Planeten. Dazu kommen Versuche die Schrift anders zu formulieren, so dass sie bspw. vernachlässigte Gruppen in den Blick nimmt oder so dass sie von bestimmten Gruppen unter bestimmten Bedingungen besser verstanden wird, weil sie ihrer gebräuchlichen Sprache ähnlicher ist. Dies betrifft zum Beispiel alle Bemühungen der Tatsache Rechnung zu tragen, dass jede Sprache, wie bspw. auch das Deutsche, ständigem Wandel unterliegt. Im Rahmen dieser Bemühungen ist auch das Jüngste Erscheinen einer neuen Einheitsübersetzung ins Deutsche zu sehen. Übersetzungen, aber auch vom Bemühen um leichteres und besseres Verständnis geleitete Formulierungen, stellen für sich genommen schon immer eine Form der Interpretation da. Hier ist dann unter genau umgekehrtem Vorzeichen zu bedenken, dass eine solche Interpretation der Schrift immer die Gefahr beinhaltet, dass ich hineininterpretiere was ich dort zu lesen meine oder sogar was ich mir wünsche, dass es dort steht und dann in Versuchung gerate, diese Interpretation als die einzig wahre, letztgültige auszugeben. Auf beiden beschriebenen Wegen komme ich also nie an den Punkt, die Schrift endgültig verstanden zu haben und eindeutig zu wissen was ihre Botschaft endgültig bedeutet. Dies ist allerdings kein Grund zu resignieren und die heilige Schrift abzutun, als einfach nur alten Text den keiner so richtig versteht und den auch keiner jemals verstehen wird. Auch ist es nicht, wie manchmal irrtümlich angenommen, eine Schwäche der Kirche und der Christenheit, wenn das Verstehen und Verkündigen der Schrift, eine Diskussion und manchmal sogar ein Streit der unterschiedlichen Interpretationen ist, die einfache und damit eindeutige Antworten auf die Frage was denn die heilige Schrift letztlich bedeutet unmöglich macht. Zum einen gibt es durchaus unumstrittene Botschaften der heiligen Schrift. Menschen sollen wir mit Liebe und Achtung begegnen, gerade auch den geringsten unter uns. Für alles, was wir tun oder lassen, werden wir im letzten Verantwortung übernehmen müssen. Als wichtigstes aber, dass Gott den Menschen so sehr geliebt hat, dass er für das Heil der Menschen seinen eigenen Sohn gegeben hat. Darum dürfen wir Menschen hoffen vom Tod aufzuerstehen und von allen Sünden erlöst zu sein. Egal in welche Sprache man die Schrift übersetzt und für welche Gruppe und welche Umgebung man die Formulierung wählt, hier sollte es unter Christen keine zwei Meinungen geben. Diskussion und manchmal auch Streit über die Deutung der heiligen Schrift sind aber auch deshalb keine Schwäche, weil wir nur so die heilige Schrift kennenlernen können. Nur wenn ich die eigene Interpretation der Schrift immer wieder hinterfrage und die der Anderen, gerade auch solche die mir auf den ersten Blick widerstreben, bedenke und ernsthaft in Erwägung ziehe, lerne ich die Schrift und damit Jesus Christus immer besser kennen.
Ihr Daniel Tinten,
Kandidat für das Priesteramt
Bild: Doris Schug
In: Pfarrbriefservice.de