„Liebe S.,
letzte Woche habe ich zwei Kollegen kennen gelernt, die mir gefallen. Wir sind auf etwas gestoßen, das mich nicht loslässt. Sieh nach Osten: Jupiter und Saturn wandern aufeinander zu, es scheint, als wüchsen sie zusammen. Was kann das bedeuten, haben wir uns gefragt, und ich habe ein paar Nächte lang alte Schriften gewälzt. Ein Stern wird aufgehen, las ich dort, „und ein Zepter aus Israel aufkommen.“
Nun ist Jupiter der König der Sterne und Saturn das Schutzzeichen Israels. Diese Konstellation steht im Sternbild der Fische, was ungewöhnlich ist. Das könnte also heißen: Ein neuer König wird geboren, aber nicht hier, sondern in Israel. Ein besonderer Herrscher muss es sein, wenn die Sterne seine Boten sind. Ich weiß selbst nicht, warum mich das so bewegt. Es scheint mir wie ein Zeichen. So lange habe ich Ausschau gehalten, ohne zu wissen, wonach. Es ist, als sagte nun jemand: Bitteschön. Da hast du, wonach du suchst. Nur, was mache ich damit?
Ich melde mich wieder. Bin jetzt mit den beiden Kollegen verabredet. Wir wollen ein bisschen zusammen weggehen. Sie sind ebenso fasziniert von dem Stern wie ich. Und ebenso ratlos. Vielleicht kommen wir gemeinsam weiter.
Ich grüße dich herzlich.
Dein C.“
…
„Liebe S.,
es ist Abend und die Luft riecht feucht und kühl und würzig. Vollkommen still ist es, nur das Schnauben der Kamele höre ich von Zeit zu Zeit. Du fragst dich, wo ich bin? Auf der unglaublichsten Reise, die ich je begonnen habe. Ich folge dem Stern. B. und M. an meiner Seite. Wir sind einfach aufgebrochen – wider alle Vernunft. Das muss verrückt klingen. Ich finde mich selbst verrückt. Wenn die Leute fragen, wohin wir wollen, dann sagen wir, dass wir den neuen König suchen. Wir sind auf einmal Utopisten, Visionäre, wir haben weder Beweise noch Garantien in der Hand. Wir werden angezogen von einem, dessen Namen wir nicht mal kennen. Es ist ein großes Abenteuer. Aus den Alten Schriften habe ich mir eine Prophezeiung herausgeschrieben: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht“, heißt es dort. Sag selbst: Klingt das nicht schön?
Ich habe beschlossen, das Ganze wie eine mathematische Frage zu behandeln. Probehalber gehe ich mal von der Annahme aus, es könnte wahr sein. Du hörst von mir. Versprochen.
Dein C.“
…
„Liebe S.,
jetzt sind wir bald zwei Monate unterwegs. Du glaubst nicht, was ich auf dieser Reise bereits alles erfahren habe! Ein Vielfaches von dem, was ich je in meinen Studien lernte. Es ist eine Reise nach innen. Ich bin auf der Spur. Ich bin Menschen begegnet. Ich habe gelernt, von ihnen zu lernen, in dem ich nichts will. Sondern offen aufnehme, was mir entgegenkommt.
Aber darüber habe ich nicht unser Ziel vergessen. Den neuen König. Gestern haben wir einander unsere Geschenke für ihn gezeigt. Das war spannend, weil sie etwas von unseren Wünschen verrieten.
M. bringt ihm Gold. Weil nur Gold eines Königs würdig ist. Glanz und Herrlichkeit sieht er darin. B. hat Weihrauch ausgewählt, weil er glaubt, dass dieser König nicht nur Mensch ist, sondern ein Gott. Und ich? Ich habe Mhyrre dabei, weil es Schmerzen lindert und heilt. Ich dachte, niemand ist so groß, dass er unempfindlich ist gegen Leid.
Merkwürdige Geschenke sind das. Sie erinnern mich an das Wertvollste, das Heiligste, das Verletzlichste, das wir haben. Ich bin wirklich neugierig, wohin uns das alles führt.
Dein C.“
…
Liebe S.,
manchmal halte ich mich selbst für naiv. Wir suchen nach einem neuen König. Anders soll er sein. Ein Herrscher, der nicht herrscht. Von einem, der das Unten zum Oben macht, träumten wird, das Kleine groß. Und wohin sind wir gegangen? Dorthin, wo die Macht ist. Nach Jerusalem. Herodes hat uns empfangen. Wir haben ihn nach dem Neugeborenen gefragt und er wusste von nichts. Aber er wurde sofort hellhörig. Ein anderer Herrscher? Er rief seine Gelehrten zusammen und die fanden diesen Spruch: Und du, Bethlehem, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll. Nun war er ausgesprochen interessiert. Alles wollte er aus uns herausbekommen: Er lobte unsere wissenschaftliche Arbeit, unsere Zähigkeit, unseren Abenteuergeist. Alles Worte, für die wir höchst empfänglich waren. Er stellte uns sogar in Aussicht, in seinem Dienst zu arbeiten. Wir sollten nur wiederkommen und ihm berichten. Ich spürte die ganze Zeit ein Unbehagen. Es war, als müsste ich wählen: Anerkennung, Status, Geld gegenüber der Ungewissheit einer Suche nach dem, wonach mein Herz ruft. Seit wann bin ich anfällig für derlei Empfindungen?
Dein C.
…
„Liebe S.,
was für ein Unterschied! Erst dieser überwältigende Palast, all die hübschen Menschen, Glanz und Licht, wohin das Auge blickte. Und nun diese Hütte. Eng und stickig und dann diese einfachen Leute: Die junge Frau, der schweigsame Handwerker, da standen sie also mit dem neugeborenen König im Arm. Das sollte alles sein? Dort schien nichts, aber auch gar nichts Besonderes. Ich fühlte mich betrogen um ein großes Erlebnis. Hier? Ein König? Unvorstellbar! Wir blieben dennoch. Allein schon, weil wir nach dem ganzen Weg nicht einfach umdrehen wollten. Wir redeten ein bisschen, aber vor allem schauten wir. Wir schauten das Kind an. Und plötzlich dachte ich: Stell dir nur vor, ein König, der deines Schutzes bedarf. Ein König, der dort wohnt, wo die meisten wohnen. Ein König, der noch wachsen muss. Und denk dir, wir wüchsen mit ihm und all unsere Anfänge auch.
Liebe S., in der Nacht hatte ich einen Traum. Ich hörte eine Stimme, die sagte: Geh nicht zurück zu Herodes. Und ich sah einen neuen Weg. Auf dem befinden wir uns nun. Ich muss das alles bedenken, nein, ich übe, die Dinge in meinem Herzen zu bewegen. Den Stern trage ich bei mir. Er leuchtet noch.
Dein C.“
© Andere Zeiten e.V., Freude: Schätze aus 20 Jahren „Der andere Advent“, Hamburg 32017.
Liebe Gemeinde,
ich hoffe, Sie sind wohlbehalten und mit Vorfreude ins neue Jahr gestartet. Ich wünsche Ihnen allen ein licht- und segensreiches Jahr mit vielen wertvollen Gesprächen und Begegnungen, die sie wachsen lassen. Ich würde mich freuen, wenn Ihnen diese etwas andere Dreikönigs-Geschichte in Briefform als Anregung dienen kann.
Wenn Sie möchten, überlegen Sie heute doch mal:
- „Ich weiß selbst nicht, warum mich das so bewegt. Es scheint mir wie ein Zeichen. So lange habe ich Ausschau gehalten, ohne zu wissen, wonach. Es ist, als sagte nun jemand: Bitteschön. Da hast du, wonach du suchst. Nur, was mache ich damit?“
Was bewegt Sie dieser Tage, was lässt Sie nicht los? Wo zieht es Sie hin? Was machen Sie damit? - „Es ist eine Reise nach innen. Ich bin auf der Spur. Ich bin Menschen begegnet. Ich habe gelernt, von ihnen zu lernen, in dem ich nichts will. Sondern offen aufnehme, was mir entgegenkommt.“ Kennen Sie diese Haltung selbst auch? Möchten Sie sie in der nächsten Woche einüben?
- „Ich hörte eine Stimme, die sagte: Geh nicht zurück zu Herodes. Und ich sah einen neuen Weg. Auf dem befinden wir uns nun. Ich muss das alles bedenken, nein, ich übe, die Dinge in meinem Herzen zu bewegen. Den Stern trage ich bei mir. Er leuchtet noch.“
Suchen Sie auch immer mal wieder Kontakt zu Ihrer inneren Stimme? Sind da auch neue Wege, auf die Sie sich jetzt zu Beginn des neuen Jahres trauen möchten?
Wer sich selbst einen stillen Gruß der heiligen drei Könige wünscht und sich noch nicht gemeldet hat, kann das hier tun.
Ich wünsche Ihnen, dass auch Sie „den Stern“ noch eine ganze Weile bei sich tragen und dass er Ihnen in 2021 leuchten möge.
Herzliche Grüße,
Magdalena Kiess