Liebe Gemeindemitglieder und Freunde unserer Kirchengemeinde,
in den kommenden Tagen finden Europawahlen statt, in Deutschland am Sonntag, den 26.5.2019. Als Christen haben wir die Verantwortung, Europa mitzugestalten. Das Christentum hat Europa geprägt, nicht immer positiv, in manchen Zeiten sogar furchterregend machtpolitisch. Aber vielfach zeigt dieser Kontinent noch die Spuren ursprünglicher christlicher Werte. Lesen Sie die Predigt aus der Radiomesse des „rbb Kultur“ aus unserer Kirchengemeinde vom Sonntag, den 19.5.2019, u.a. auch zu diesem Thema und nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr, zur Wahl zu gehen und mitzubestimmen.
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
erinnern Sie sich noch an den letzten Sommer? Wahrscheinlich fällt da den meisten wieder ein, was für ein phantastisches Sommerwetter wir hatten. Lange, trockene und heiße Sommertage, an denen wir draußen sein konnten. Unsere Regensachen und die für kühleres Wetter rückten in den Kleiderschränken immer weiter nach hinten. Und manch einer sagte: So kann es eigentlich immer weiter gehen.
Andere sahen das trockene Wetter hingegen gar nicht so positiv. Auf den Feldern vertrocknete einfach sehr viel. Auch ich war an vielen Abenden in unserem großen Pfarrgarten am Besprengen der vielen Pflanzen etliche Stunden am Tage beschäftigt, mal ganz früh morgens und oft dasselbe am Abend wieder. Die Natur in vielen Teilen Deutschlands verdorrte regelrecht. Es gab große Probleme mit den Ernten und hohe Kosten für Ersatzfutter in der Tierhaltung.
Was für die einen eine große Freude war, war für die anderen eine Last.
Alles hat uns aber einen kleinen Eindruck davon gegeben, mit welchen Problemen Menschen und Tiere in anderen Teilen der Welt schon seit langem zu kämpfen haben.
Im selben vorigen Sommer aber gab es in anderen Regionen der Erde heftigste Regenfälle, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gab.
Die Extreme – so erlebten und erleben wir bis heute – nehmen zu. Die Klimaveränderung wird nur von einigen Unverbesserlichen geleugnet. Darunter ist leider auch der eine oder andere Staatenlenker.
Die gute Schöpfung Gottes ist in Gefahr. Wir dürfen diese Gefährdung nicht mehr ignorieren, so wie wir Dinge manchmal nicht mehr sehen wollen, weil sie unangenehm sind.
In diese Situation nimmt uns auch die heutige Lesung aus der „Offenbarung des Johannes“, dem letzten Buch der Bibel, mit hinein.
Der Prophet Johannes hatte Visionen, Träume: Er sah mit seinem inneren Auge, was andere nicht sehen konnten. Darum schrieb er alles auf.
Johannes lebte in einer schweren Zeit. Er erlebte Krieg und Verfolgung und viele Menschen sagten: So kann es nicht weitergehen. Mit seinen Träumen und Visionen wollte Johannes diesen Menschen Mut machen, positiv in die Zukunft zu gehen.
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
in der kommenden Woche finden Europawahlen statt. In den vergangenen Tagen habe ich viele Leute um mich herum gefragt, woran sie denken, wenn sie die Worte „Europa“ und „Europäische Union“ hören. Die meisten sagten, dass sie an das Geschenk der Reisefreiheit denken und dass man an den meisten Grenzen in Europa – Gott sei Dank – nicht mehr kontrolliert werde und Geld mit den entsprechenden Gebühren wechseln müsse. Ich habe von einem Binnenschiffer gehört, der in der Zeit der Grenzkontrollen 14 Geldbörsen bei sich hatte, weil er durch ebenso viele Länder Güter zu transportieren hatte.
Ja und erst vorige Woche kam ich selbst von einer Gemeindereise nach Apulien in Süditalien zurück. Alles ohne Grenzkontrollen. Unglaublich!
Ich hörte aber auch, dass die „Europäische Union“ einem allzu großem Vereinheitlichkeitswahn verfallen sei. Alles müsse immer geregelt werden. Dass das wirtschaftliche Gründe hat, sahen die meisten nicht ein.
Dann aber hat mich jemand am meisten überzeugt, dem bei den Worten „Europäische Union“ einfiel, dass diese vor allem ein Friedensprojekt sei. Nach dem 2. Weltkrieg wollten viele Menschen ein neues Europa aufbauen, ein Europa ohne Krieg und Vertreibung in Frieden und Sicherheit, zum Wohle der Völker. Von Europa sollte nie wieder Krieg ausgehen.
Man könnte fast meinen, dass sei eine Vision, ein Traum des Johannes: „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“!
Das geht nur gemeinsam und nicht jede Nation für sich oder gegen die anderen.
Ich finde es eine großartige Vision und auch, dass es bei aller Kritik an der Europäischen Union möglich ist, sich selbst einzubringen. Allen Unkenrufen zum Trotz geht das nämlich auf unterschiedliche Art und Weise. Lassen wir uns von dem kraftvollen Traum des Johannes anstecken: Jede von uns, jeder von uns, kann mit den eigenen kleinen Möglichkeiten manches bewegen.
Es gibt ein bekanntes afrikanisches Sprichwort mit einer tiefen Wahrheit: „Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern.“
Aufruf der (Erz-)Bischöfe der ostdeutschen (Erz-)Diözesen und der Nordkirchen zur Europawahl am 26. Mai 2019