„Wir nannten ihn alle, meine Freunde und Freundinnen, ob Juden oder Christen, heimlich den Bischof von Berlin.“ Das schrieb die jüdische Dichterin Else-Lasker-Schüler in einem Nachruf über den sogenannten Berliner „Großstadtapostel“ Carl Sonnenschein.
Wer war der Mann, der vor 95 Jahren am 20. Februar 1929 starb, das soziale Berlin in jenen Jahren so stark geprägt hat und in Berlin dennoch fast vergessen ist?
Carl Sonnenschein war gebürtiger Düsseldorfer, von Beruf Priester und hat in jenen Jahren, in denen Berlin so unglaublich wuchs, die Stadt stark geprägt.
Er war 1918 in die Reichshauptstadt gekommen. Im krisengeschüttelten Berlin der 20er Jahre lernte er viel Not kennen und suchte nach Wegen, der Bevölkerung zu helfen.
Überall versuchte er irgendwie da zu sein, etwas aufzubauen, mischte sich ein, machte sich unbeliebt, auch bei Kirchenverantwortlichen. Manche seiner Sozialwerke gibt es bis heute und für die Zahl der Katholiken hat Berlin tatsächlich überdurchschnittlich viele soziale kirchliche Einrichtungen. Manche gehen noch auf die Zeit von Carl Sonnenschein zurück.
Er regte z.B. den sozialen Wohnungsbau in Berlin an. Siedlungen, in denen die Mieten bezahlbar blieben. Er gründete eine katholische Volkshochschule und eine Akademische Lesehalle. Denn Bildung, so meinte Sonnenschein, ist die Grundlage, um das Leben bestehen zu können. Von den Akademikern und den Studenten bis hin zu den Arbeitslosen und Entwurzelten kamen alle zu ihm, baten um Rat. Sonnenschein setzte sich für alle ein.
Eines der schönsten und treffendsten Zitate über Carl Sonnenschein kommt von einem einfachen Jungen. Er soll es am Rande der Beisetzung Sonnenscheins gesagt haben, als er den riesigen Trauerzug sah: „Nanu? Wer wird denn da begraben? Der war ja mit der ganzen Welt verwandt!“
Fast 100 Jahre später, heute also, denke ich, bräuchte es wieder solche charismatischen Persönlichkeiten, wie Carl Sonnenschein. Und nicht nur die katholische Kirche in Berlin und Brandenburg sollte diesen Mann niemals vergessen. Denn auch die soziale Frage ist hier bei uns wieder aktuell – zwar anders als vor 100 Jahren – aber hochaktuell.
In dieser Woche spricht unser leitender Pfarrer Mathias Laminski täglich ein Morgenwort in ebb. Hier finden Sie dazu die entsprechenden Radiosender, Livestreams und Sendezeiten.
Titelbild: Wendelin Dietzenschmidt, Public domain, via Wikimedia Commons