Desiderata
Max Ehrmann, 1927
„Gehe ruhig und gelassen inmitten von Lärm und Hast und sei des Friedens eingedenk, der in der Stille ist. So weit als möglich – ohne dich selbst aufzugeben – stehe in freundlicher Beziehung zu allen Wesen.
Äußere deine Wahrheit ruhig und klar und höre anderen zu, auch wenn sie langweilig und unwissend sind; auch sie haben ihre Geschichte. Meide die Lauten und Streitsüchtigen, sie verwirren das Gemüt. Wenn du dich mit anderen vergleichst, könntest du hochmütig werden oder dir nichtig vorkommen, denn immer wird es jemanden geben, größer oder geringer als du. Freue dich deiner eigenen Leistungen wie auch deiner Pläne. Bleibe weiter an deiner eigenen Laufbahn interessiert, wie bescheiden auch immer. Sie ist ein echter Besitz im Wandel der Zeit.
In deinen geschäftlichen Angelegenheiten lass Vorsicht walten; denn die Welt ist voller Betrüger. Aber dies soll dich nicht blind machen, denn Rechtschaffenheit ist auch vorhanden. Viele Menschen ringen um hohe Ideale, und überall ist das Leben voller Heldentum. Sei du selbst, vor allen Dingen täusche keine falschen Gefühle vor.
Noch sei zynisch was die Liebe betrifft; denn trotz aller Öde und Enttäuschung verdorrt sie nicht, sondern wächst weiter wie das Gras.
Höre freundlich und gelassen auf den Ratschlag des Alters, gib die Dinge der Jugend mit Anmut auf.
Stärke die Kraft des Geistes, damit sie dich in plötzlich hereinbrechendem Unglück schütze. Aber beunruhige dich nicht mit Einbildungen. Viele Ängste sind Folge von Erschöpfung und Einsamkeit. Bei einem heilsamen Maß an Selbstdisziplin sei gut zu dir selbst. Du bist ein Kind des Universums, nicht geringer als die Bäume und die Sterne, du hast ein Recht hier zu sein. Und ob es dir nun bewusst ist oder nicht: Zweifellos entfaltet sich das Universum wie vorgesehen. Darum lebe in Frieden mit Gott, was für eine Vorstellung du auch von Ihm hast und was auch immer dein Mühen und Sehnen in der lärmenden Wirrnis des Lebens ist, bewahre den Frieden in deiner Seele. Trotz all ihrem Schein, der Plackereien und der zerbrochenen Träume ist diese Welt doch wunderschön.
Sei vorsichtig.
Strebe danach glücklich zu sein“
Liebe Gemeinde,
ein ganz besonderes Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Mit dem berühmten Prosagedicht „Desiderata“ von Max Ehrmann möchte ich Ihnen einen kleinen Impuls zum Abschluss des vergangenen und zum Start des neuen Jahres geben. Vielleicht kann Sie das Gedicht berühren, vielleicht finden Sie sich in der einen oder anderen Zeile wieder.
Vielleicht haben Sie heute auch Zeit, ihr vergangenes Jahr 2020 anhand des Gedichtes Revue passieren zu lassen oder eine Vision für Ihr Jahr 2021 zu erträumen?
Für mich ist es am Ende eines Jahres wichtig, Bilanz zu ziehen: Was ist geglückt, was war schwer für mich? Woran hatte ich Freude, wann geriet ich ins Straucheln? Wo konnte ich mich entwickeln, was hat sich für mich als Rückschritt angefühlt? Wie habe ich in den jeweiligen Situationen reagiert?
Die wichtigste Frage ist für mich jedoch immer: Wo erkenne ich jetzt in der Rückschau die Spuren Gottes in meinem Leben? Wo waren Fingerzeige, wo öffneten sich Türen, wann war ich mit ihm in Kontakt und somit ganz in meiner Kraft? Dort hinzuschauen schärft meinen Blick dafür, wie Gott in meinem Leben wirkt.
Dann versuche ich, alles was passiert ist, vor Gott hinzulegen und mich zu versöhnen (oder versöhnen zu lassen?) mit dem, was schwer war, um es abzuschließen.
Vielleicht haben Sie selbst auch Rituale fürs neue Jahr oder können sich im Gedicht oder meiner Beschreibung Inspiration holen. In jedem Falle wünsche ich Ihnen einen versöhnlichen Jahresschluss und einen kraftvollen und inspirierten Start in 2021. Ich freue mich auf viele Begegnungen mit Ihnen allen.
Ihre Magdalena Kiess