„Wenn alle Zeiten gleich sind, dann werden sie sinnlos. Wenn der Sonntag zum Alltag wird, dann verdirbt das auch den Alltag, dann wird auch der Alltag leer und öde und verliert seinen Sinn. Das heute weit verbreitete Gefühl der Sinnlosigkeit rührt sicher auch ein Stück davon her, dass man keine Feste mehr feiern kann, die aus der Zeit herausgehoben sind, Feste, an denen etwas Größeres durchbricht, an denen der Sinn des Ganzen durchscheint, weil man sich von Gott berührt weiß. Vom Fest fällt Licht auch auf die übrige Zeit. Sie bekommt eine andere Qualität…
Der Mensch durchbricht in der Feier bewusst seinen Alltag, um ihn dann wieder neu bewältigen zu können. In der Feier trinkt er von der Quelle des Lebens. Da taucht er ein in das eigentliche Geheimnis seines Lebens, das sich im Anlass des Festes darstellt: etwa in der Geburt eines Menschen, in seiner Hochzeit oder in wichtigen Ereignissen aus der Geschichte des Volkes…
So ist das Festfeiern lebensnotwendig, es schenkt uns die Kraft, die wir brauchen, um unser Leben zu meistern. Aber wir können nicht beliebig Feste feiern. Ein eigentliches Fest ist nur, wenn wir davon leben können, wenn etwas zur Sprache kommt, das uns eine neue Sicht unser selbst und unseres Lebens, ein neues Daseinsgefühl schenkt.
Für die Alten gab es ein echtes Fest nur, wenn Gott und seine Taten gefeiert wurden… Sie wollten im Feiern einer Gottestat wieder zu echten Menschen werden, zu Menschen, die um ihre Würde wissen, um ihre Wurzeln, um ihre Möglichkeiten, zu Menschen, die nicht in der Vergessenheit leben und in der Aktivität des Alltags vertrocknen.“
(Feste feiern von Anselm Grün)
Liebe Gemeinde,
Einen Tag vor Heiligabend sende ich Ihnen mit diesem Text von Anselm Grün einen herzlichen Gruß. Ich wünsche Ihnen, dass in den kommenden Tagen für Sie etwas Größeres durchbricht und Sie sich vom Kind in der Krippe berühren lassen können, das nicht nur die Feiertage, sondern besonders dem drögen Alltag in einem neuen Licht, in einer neuen Qualität erstrahlen lassen kann. Wenn Sie möchten, machen Sie sich heute ein paar Gedanken, was das konkret für Sie bedeuten könnte: woran würden Sie merken, dass Sie mit Gott in Berührung kommen? Und was würde sich ändern?
Ich wünsche Ihnen für heute und die kommenden Tage ein neues Daseinsgefühl. Ich wünsche Ihnen, dass Sie – zumindest in einzelnen Augenblicken – wahrnehmen, dass trotz der vielen widrigen Umstände dieses Jahr, Weihnachten wird. Und zwar nicht verstanden als ein Tag im (Kirchen-)Jahr, sondern als Aufruf Gottes, die Türen hoch und die Tore weit zu machen. Für Liebe, Friedfertigkeit, Geduld, Nachgiebigkeit, Gerechtigkeit und alles, woran es uns sonst noch immer mal wieder mangelt.
Wenn Sie an den Weihnachtstagen alleine sind, oder einfach nicht so freudvoll wie gewohnt feiern können, dürfen Sie sich getragen wissen von unseren Gedanken und Gebeten. Wir dürfen gemeinsam darauf vertrauen, dass es auch wieder aufwärts geht. Und die Weihnachtstage sind dabei schon immer Zeitenwenden. Schöpfen wir gemeinsam aus den Feiertagen neue Kraft und lassen das Weihnachtslicht auch darüber hinaus in unseren Alltag strahlen.
Ihre Magdalena Kiess